Kulturwissenschaft und klassische Ideale. Tagungen der Akademie Brasil-Europa für Kultur-und Wissenschaftswissenschaft

Akademie Brasil-Europa

für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft

 


Berichte
Auswahl aus Tagungen, Kolloquien und Sitzungen


Klassik und Klassiker kolonisierter Welten. Kulturwissenschaftlich orientierte Musikkulturforschung und klassische Ideale
Gedenkakt an Cleofe Person de Mattos im Itamaraty-Palast, Brasilianisches Außenministerium, Rio de Janeiro, 2002

Programm der Sitzung der A.B.E. im Itamaraty RJ
Zum Abschluss des Internationalen Kongresses Euro-Brasilianischer Studien 2002, der das Triennium wissenschaftlicher Arbeiten anlässlich der Entdeckung Brasiliens vor 500 Jahren beendete, fand im Itamaraty-Palast des Außenministeriums Brasiliens in Rio de Janeiro eine Gedenkakt für Cleofe Person de Mattos statt, eine der bedeutendsten Forscher der musikalischen Klassik in Brasilien und Gründungsmitglied und Ehrenvorsitzendende des Kuratoriums der Akademie Brasil-Europa, die kurz zuvor verstorben war.
Anwesend waren Vertreter mehrerer Institute und Organisationen, der Benediktiner-Abtei, der Bischofskonerenz Brasiliens sowie der Universitäten von Minas Gerais, Goiás, Cuiabá und Anhembi/São Paulo. Aus
Itamaraty-Palast des Außenministeriums - Tagung der A.B.E.
der Familie von Cleofe Person de Mattos nahm deren Schwester, Ruth Person de Mattos, die Ehrungen entgegen.

Frau Cleofe Person de Mattos widmete sich in exemplarischer Weise der Quellenforschung, der Edition von musikalischen Denkmälern, dem Studium der Musikgeschichte und der Aufführung unzähliger Werke von musikhistorischer Relevanz Brasiliens. Sie trug maßgeblich zur Arbeit der Organisation für Studien von Kulturprozessen seit ihrer Gründung 1968 bei. Sie war Gründungsmitglied und Vorsitzende der Brasilianischen Gesellschaft für Musikwissenschaft. Sie war an der Gründung des Instituts für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes und des Brasilianischen Instituts für Musikwissenschaftliche Studien beteiligt und nahm an mehreren von der A.B.E.  veranstalteten Tagungen in Brasilien und Europa teil.

Cleofe Person de Mattos - A.B.E.
Cleofe Person de Mattos hat ihr Leben in erster Linie der Erforschung des Werkes von José Maurício Nunes Garcia gewidmet. Mit Beharrlichkeit und gegen Schwierigkeiten aller Art hat sie über Jahrzehnte die Notenquellen in Sammlungen Rio de Janeiros und verschiedener Städte Brasiliens gesucht, Handschriften verglichen, Wasserzeichen analysiert, Kopisten erhoben, verschollene Stimmen aufgespürt, Partituren zusammengestellt, ediert und aufgeführt. Sie konnte die Kalligraphie zahlreicher, längst vergessener Musiker Brasiliens unterscheiden. Sie gehörte zu den am meisten geachteten Persönlichkeiten der historischen Musikforschung Brasiliens. Sie war allerdings nicht nur an der Musikgeschichte, sonder auch an der brasilianischen Volkskunde besonders interessiert, in die sie vor allem durch ihren Mentor Prof. Luís Heitor Correa de Azevedo (UNESCO) eingeführt worden war.
Sitzung der A.B.E. im Museum Diplomatischer Geschichte, Itamaraty RJ
Im Rahmen ihrer unermüdlichen Suche nach Quellen hat sie 1969 Kontakt zu A.A. Bispo gesucht, da sie vom Vorsitzenden der Brasilianischen Gesellschaft für Volkskunde, Prof. Rossini Tavares de Lima, erfahren hatte, dass sich dieser der Erhebung und der Sichtung von musikhistorischen Quellen in der Hauptstadt São Paulos und in Städten des Hinterlandes widmete. Kopien von Werken von José Maurício Nunes Garcia, die in Städten außerhalb Rio de Janeiros und Minas Gerais gefunden worden waren, konnten mit Noten aus bereits untersuchten Archiven verglichen werden. Damit kam sie auch in Kontakt zu der Organisation zur Erneuerung der Kulturstudien, die durch die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Prozesse das Verhältnis zwischen historischer und empirischer Vorgehensweise in der Forschung untersuchte und sich für die Entwicklung einer transdisziplinären Kulturforschung einsetzte.
Ruth Cleofe de Mattos und A.A.Bispo
Frau Person de Mattos trug zu den Debatten bei der Institutionalisierung der Faches Ethnomusikologie 1972 und vor allem der Disziplin Musikalische Aufführungspraxis an der Musikfakultät São Paulos bei. Hierbei ging es um die Berücksichtigung von Erkenntnissen der empirischen Forschung hinsichtlich Vortrag, Interpretation sowie Vokal- und Instrumentalpraktiken in einem historisch ausgerichteten Forschungszweig sowie - umgekehrt - der Erkenntnisse der historischen Forschung der Aufführungspraxis in Europa bei Analysen von Volkskulturtraditionen.

Sie nahm am Projekt zu Rezeptionsgeschichte und empirischer Kulturforschung Ende der siebziger Jahre intensiv teil und trug mit einer Studie über José Maurício Nunes Garcia zu der Publikation bei, die als Diskussionsgrundlage des I. Internationalen Symposiums "Kirchenmusik und brasilianische Kultur" 1981 diente. Als Vorsitzende der Brasilianischen Gesellschaft für Musikwissenschaft war sie für mehrere Projekte zuständig. Auf europäischen Reisen nahm sie an den Arbeiten des I..S.M.P.S. und an Gesprächsrunden zur Organisation von Tagungen im Rahmen deutsch-brasilianischer Kooperation teil. Sie hatte den Vorsitz der musikhistorischen Sektion des I. Brasilianischen Kongresses für Musikwissenschaft, der im Villa-Lobos Jahr 1987 in São Paulo stattfand. Beim Internationalen Kongress für Musikwissenschaft in Rio de Janeiro 1992 führte sie mit dem Chor und Orchester der traditionsreichen, von ihr geleiteten Associação de Canto Coral eine Messkomposition von Pe. José Maurício Nunes Garcia in Erstaufführung an der Benediktiner-Abtei Rio de Janeiros auf.

Ruth Cleofe de Mattos (links) und A.A.Bispo
Cleofe Person de Mattos verkörperte eine Phase der historischen Musikforschung in Brasilien, die entsprechend der musikwissenschaftlichen Tradition Europas die großen Gestalten der Musikgeschichte hervorzuheben suchte. Sie wollte, dass Brasilien auch seine Klassik hatte, die sie vor allem durch das Leben und Werk von José Maurício Nunes Garcia vertreten sah. Zu unterschiedlichen Anlässen in Brasilien und in Europa wurden mit ihr Gedanken über Konzepte und Methoden einer historisch ausgerichteten Musikforschung ausgetauscht und diskutiert, vor allem hinsichtlich von Problemen einer primär an großen Gestalten orientierten Musikgeschichte. Sie vertrat die Ansicht, dass bei aller kulturwissenschaftlichen Orientierung musikhistorischer Fragestellungen und grenzüberschreitender Perspektiven sowie mentalitätsgeschichtlicher Ausrichtung der Aufmerksamkeit die Persönlichkeit des handelnden und schaffenden Individuums, seine persönlichen Qualitäten und sein Charakter nicht übersehen werden dürfen. Es ging ihr um die humane Dimension in der Forschung und in der Aufmerksamkeit des Forschers, und sie sah in der Beachtung von Persönlichkeit und Charakter eine Notwendigkeit für eine adäquate Auseinandersetzumg mit der Klassik und Klassizität.

Cleofe Person de Mattos stellte selbst ein lebendiges Beispiel dafür dar, dass Klassik in diesem Sinne von Charakterqualitäten und persönlicher Haltung reflektiert werden kann . "Stille Größe und edle Einfalt" prägten ihre Person, ihr Leben und ihr Werk. Für die Abschlusssitzung des Kongresses waren einige Gedanken festgehalten worden, die mit Cleofe Person de Mattos besprochen werden sollten. Ihre Schwester, Frau Ruth Person de Mattos, nahm diese Gedanken in schriftlicher Form entgegen.





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