Imagologische Annäherungen an die Kulturanalyse der Stadt. Tagungen der Akademie Brasil-Europa für Kultur-und Wissenschaftswissenschaft

Akademie Brasil-Europa

für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft

 


Berichte
Auswahl aus Tagungen, Kolloquien und Sitzungen


"Lyrik von São Paulo". Imagologische Annäherungen an die Kulturanalyse der Stadt
Festsitzung im Rahmen des A.B.E.-Programms "São Paulo 450 Jahre" im Munizipaltheater São Paulos

Tagung der A.B.E. Munizipaltheater von S. Paulo
Im Jahr 2004 wurde die 450-Jahr-Feier der Stadt São Paulo begangen. Zu diesem Anlass fand eine Festsitzung der A.B.E. im Munizipaltheater São Paulos statt unter der Schirmherrschaft des Kulturamts von São Paulo. An der Sitzung nahmen Vertreter der Regierung des Staates, der Konsulate, von Kulturinstituten, der Kirche sowie von Universitäten verschiedener Bundesstaaten Brasiliens teil. Die Sitzung fand im Rahmen des Internationalen Kolloquiums für Interkulturelle Studien statt. Zahlreiche Studenten und Dozenten der Universität Köln und Bonn waren anwesend (siehe Bericht).

Das Bild São Paulos wird in Brasilien und in der ganzen Welt durch seine Dimensionen, sein ungebremstes Wachstum, seiner Verkehrsprobleme und sozialen Kontraste geprägt. Auch wenn die Rolle der Stadt als Kulturzentrum - durch die Anzahl und Qualität ihrer Museen und Kultureinrichtungen - anerkannt wird, erscheint sie als Inbegriff eines Molochs, als Beispiel einer Megalopolis, die kaum kontrollierbar ist, und nicht als eine Stadt, die sich durch urbane Qualitäten auszeichnet. Ihre positiven Seiten offenbaren sich erst allmählich, ihre Qualitäten müssen erkundet und entdeckt werden.

São Paulo hat in der Tat viele Probleme, darunter auch ein Problem des Bildes, und dies ist auch Ergebnis der Schwierigkeiten adäquater Wahrnehmung und Lektüre. Wie kaum eine Stadt der Welt verlangt sie, damit der Besucher im sich zunächst als chaotisch darbietenden Stadtbild Orientierung findet und ihre Räume und Struktur erfassen und verstehen kann, eine Auseinandersetzung mit den geschichtlichen und kulturhistorischen Prozessen ihrer Entstehung und komplexen Entwicklung.

So entstand bereits in der Mitte des sechziger Jahren eine Bewegung zur Erneuerung der Kulturstudien, die die Notwendigkeit der Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Prozesshaftes und der interdisziplinären, reflektierten Zusammenarbeit historischer und empirischer Forschung hervorhob. Die zusammenhängende Betrachtung der Metropolisierungsvorgänge und der Kulturtransformationen, der Urbanologie und der Kulturforschung erschien als notwendiges Anliegen. Stadtanalysen konnten nicht ohne Berücksichtigung von Kulturfragen erfolgen, andererseits konnten Auffassungen der Urbanistik und Stadtplanung zur Entwicklung der Kulturstudien beitragen. Es wurde für eine kulturwissenschaftlich orientierte Urbanistik und zugleich eine urbanologisch geleitete Kulturforschung plädiert. Seitem wurden Übungen der urbanen Wahrnehmung durchgeführt, die auch bei mehreren Veranstaltungen der folgenden Jahrzehnte praktiziert wurden.

Tagung der A.B.E. Munizipaltheater S.P.
Der Feier war eine Sitzung in der Akademie der Literatur São Paulos vorangegangen, in der die Ergebnisse des Studienzyklus "Poetik der Urbanität" vorgestellt wurden, der im Jahre 2003 in zahlreichen Städten Europas und Mittelamerikas durchgeführt worden war. In diesem Zyklus war São Paulo in der Kulturbetrachtung verschiedener urbaner Kontexte der Welt präsent. Diese sollten im Licht São Paulos und in Bezug zu seiner Entwicklung reflektiert werden und wiederum Impulse zu Vergleichen und zur Ausdifferenzierung der Analyse São Paulos selbst gewonnen werden. Bei der Sitzung der Akademie der Literatur wurde hervorgehoben, dass hier die "Poetik" des Programms nicht im literarischen Sinn, sondern unter kulturwissenschaftlichen Perspektiven zu verstehen ist, bei denen die Bildersprache und die Eruierung imagologischer Ordnungen in der Kultur im Mittelpunkt standen.
Tagung der A.B.E. Munizipaltheater S.P.
Bei der Feier bot sich für Überlegungen das Sinnbild der Lyra an, die in die Architektur des Theaters überall präsent ist. Auch dieses Bild sollte nicht literarisch, sondern als Zeichen verstanden werden, das in einem umfassenden Gebäude des Menschen- und Weltbildes eine zentrale Stellung einimmt. Überall wurde sie in den Allegorien des Theaters in ihren mythologischen Beziehungen zu Apollo und Hermes dargestellt. Sie war nach der Mythologie das Instrument, das von Hermes empfangen wurde, der es aus dem Resonanzkasten einer Schildkröte hergestellt hatte. Diese Zusammenhänge, die in zahlreichen Tagungen der A.B.E. seit Jahrzehnten als Grundzeichen für das Verständnis des Welt- und Menschenbildes in antiker und christlicher Tradition eruiert und diskutiert wurden, boten sich auch bei der São Paulo-Feier an, berücksichtigt zu werden. São Paulo kann nach alten Deutungen in Entsprechung gebracht werden zum antiken Hermes, der den durch die Schlidkröte versinnbildlichten Körper abtötet und zu einem Saiteninstrument macht. In vielerlei Hinsicht lassen sich diese Entsprechungen und Analogien so betrachten, dass das Literarische überwunden wird und sich Wege zu einer kulturwissenschaftlich orientierten Annäherung an São Paulo eröffnen.
A.A.Bispo. Munizipaltheater SP
Zur Eröffnung der Feier erinnerte der Direktor des Hauses daran, dass im Munizipaltheater wichtige Kulturereignisse stattfanden, die die Entwicklung des Denkens und Schaffens Brasiliens maßgeblich prägten. Es war auch über Jahrzehnte ein Ort des Empfangs internationaler Künstler und bestimmte den Kulturaustausch zwischen Brasilien, Europa und anderen Kontinenten mit. Es ist eng mit der Kulturgeschichte der Stadt verbunden und eines ihrer wichtigsten Embleme.
Konzert der A.B.E. Munizipaltheater SP
Bei den Vorträgen wurde die Bedeutung von São Paulo für die Erschließung, die Besiedlung und die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung großer Teile Brasiliens hervorgehoben. Wie Hermes ist São Paulo mit Wegen, mit Handel, Industrie, aber auch mit Kommunikation verbunden. Als Vertreterin der Bundesuniversität Goiás hob Frau Prof. Dr. Maria Augusta Calado die Bedeutung dieses von São Paulo ausgehenden Prozesses für Zentralbrasilien hervor. Aus der Sicht von Rio Grande do Sul wurde die Bedeutung von São Paulo für Südbrasilien auch für die Entwicklung der Kulturstudien von Frau Prof. Dr. Rose Marie Agrifoglio, der Vorsitzenden der dortigen Gesellschaft für Volkskunde, behandelt. Frau Prof. Dr. Helena Wöhl Coelho von der Bundesuniversität von Rio Grande do Sul erinnerte daran, dass dieser Prozess zutiefst mit performativen und erzieherischen Vorgängen zusammenhängt und aus dieser kulturwissenschaftlichen Perspektive untersucht werden sollte. Eine Erwähnung verdienen die Bemühungen einer Dozentin der Universität Bonn, Beziehungen zwischen Antonio Carlos Gomes und Kulturentwicklungen Mailands aufzuzeigen.

Die Feier wurde musikalisch umrahmt von einem Vortrag des portugiesischen Opernsängers Felipe Pereira, der von Prof. Isolda Bassi-Bruch am Klavier begleitet wurde.





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